Astrid Beckmann: Probleme beim Beweisenlernen - DGS als Lösung?
Peter Bender: Schul-Geometrie und Computer-Geometrie
Hans-Jürgen Elschenbroich: DGS als Werkzeug zum präformalen, visuellen Beweisen
Thomas Gawlick: Zur mathematischen Modellierung des dynamischen Zeichenblatts
Thomas Gawlick: Exploration reell algebraischer Kurven mit DGS
Bernard Genevès: Using Dynamic Geometry to introduce Non-Euclidean Geometries
Gaby Heintz: Didaktische Betrachtungen zum Geometrie-Unterricht beim Einsatz von Cinderella
Hans-Wolfgang Henn: Auf dem Weg zu einer “neuen Unterrichtskultur”?
Gerhard Holland: Zur Integration eines wissensbasierten Beweisexperten in ein DGS
Hermann Kautschitsch: DGS-unterstützte Vermutungs- und Beweisfindung
Ulrich Kortenkamp: Mathematische Grundlagen des Zugmodus in DGS
Ulrich Kortenkamp: Randomisiertes Beweisen in nicht-linearen Situationen
Colette Laborde: Zwischen Zeichnung und Theorie - Geometrielernen mit Dynamischer Geometrie Software
Jean-Marie Laborde: Curves in a Dynamic Geometry Environment like Cabri and Equation of Loci
Jürgen Richter-Gebert: Symbolisches Beweisen geometrischer Sätze
Jürgen Richter-Gebert: Euklidische und Nicht-Euklidische Geometrie in Cinderella
Heinz Schumann: Die Behandlung von Funktionen einer reellen Variablen mit Methoden der dynamischen Geometrie von Cabri II
Rudolf Sträßer: Chancen und Probleme des Zugmodus
Hans-Georg Weigand: Zur Bedeutung didaktischer Prinzipien im Entschleunigungsprozess beim Lernen mit neuen Technologien
Probleme
beim Beweisenlernen - DGS als Lösung?
Astrid
Beckmann
Grundlage der Diskussion ist die
Auffassung, dass Beweisenlernen ein sinnvoller Unterrichtsgegenstand ist.
Beweisen kann dazu beitragen, ein möglichst vielseitiges Bild von Mathematik zu
vermitteln, etwa Beweisen als die Methode der Mathematik oder Geometrie
als Beispiel für eine deduktive Theorie. Dieser Auffassung stehen die
Ergebnisse aus langjährigen empirischen Untersuchungen zum Beweisenlernen im
Geometrieunterricht mit Unterrichtshospitationen, schriftlichen Schülerbeweisen
usw. gegenüber, die bestimmte Auffälligkeiten und Probleme deutlich machen. Es
wurden Ansätze zur Lösung vorgeschlagen und untersucht. Durch die Möglichkeiten
der DGS stellt(e) sich die Frage nach Lösungsmöglichkeiten neu.
Speziell sollen folgende Aspekte diskutiert werden:
Beweisen ist eine hierarchisch hochstehende Aktivität. Beweisenlernen als Form der Denkentwicklung erfordert einen allmählichen, gestuften Aufbau. Dies betrifft auch die sprachliche Entwicklung. Die Konsequenz für den Unterricht ist, Beweisen als Fortführung des Argumentierens zu vermitteln und Beweise zunächst (umgangs-)sprachlich und erst allmählich symbolisch zu führen.
In verschiedenen empirischen Erhebungen wurden über 900 Schülerbeweise (abbildungsmethodische und euklidische) gewonnen. Eine Zuordnung dieser Beweise auf die in der didaktischen Literatur diskutierten Beweisstufen ergab, dass sie sich nicht gleichmäßig auf alle Stufen verteilten und dass sich auf einer bestimmten Stufe (im Sinne von “präformales Beweisen”, “Stufe des inhaltlichen Schließens”, “Preuve intellectuelle” usw.) kaum Beweise fanden. Ein Beitrag zur Lösung der Probleme beim Beweisenlernen könnte daher die stärkere Beachtung des Beweisenlernens als Prozess (Stufenschema) und insbesondere eine unterrichtliche Betonung der “ausgelassenen” Beweisstufe sein.
Im Zusammenhang mit DGS sind weitere Beweiswege formuliert worden (zum Beispiel “visuell-dynamisch”). Es stellt sich die Frage, ob oder wie sich diese Beweisformen in den diskutierten Prozess des Beweisenlernens eingliedern lassen. Insbesondere interessiert, inwieweit sie einen Beitrag im Hinblick auf die “ausgelassene” Beweisstufe leisten und speziell, ob sie dabei sprachliches Argumentieren fördern oder eher verhindern.
Beweisen als begründetes Folgern aus bekannten Sätzen oder Aussagen - Beweisen mit spezieller DGS-Komponente
Eine weitere Auffälligkeit der ausgewerteten Schülerbeweise ist das Fehlen von Begründungen für Aussagen innerhalb eines Beweises. Eine Lösungshilfe für dieses Problem verspricht eine DGS-Komponente, die speziell formale Beweise ermöglicht (zum Beispiel das tutorielle System “Geobeweis” von “Geolog”).
In einer Untersuchung in einer 7. Jahrgangsstufe wurden Schüler und Schülerinnen bei ihrer Arbeit mit diesem Programm beobachtet. Es zeigte sich, dass die Software dazu anregte, die Beweisaufgabe mit ihren Voraussetzungen genau zu analysieren sowie jeden neuen Beweisschritt und seine Begründung zu diskutieren.
Beweisbedürftigkeit - induktive Satzfindung und Beweisen mit DGS-Komponenten
In den Unterrichtshospitationen trat auch das bekannte Problem der Beweisbedürftigkeit auf. Im Zusammenhang mit induktiver Satzfindung könnte eine bewusste Zweischrittigkeit etwa mit verschiedenen DGS-Komponenten (Satzfindung, Beweis) Abhilfe schaffen. Es ist zu diskutieren, ob dies überhaupt nötig oder besonders zu empfehlen ist.
Schul-Geometrie
und Computer-Geometrie
Peter
Bender
Bei allen anzuerkennenden Leistungen der Computergeometrie-Didaktik vermisse ich
aber auch bei einigen ihrer Vertreterinnen und Vertreter:
den ernsthaften Versuch einer Integration der Computer-Geometrie in die Schul-Geometrie (z.B. ein Curriculum vom 1. bis zum 13. Schuljahr mit Zielen und Methoden, die nicht vom Rechner, sondern von den Schülerinnen und Schülern ausgehen, mit rechner-bezogenen und rechner-losen Aktivitäten, mit Alternativen, mit Begründungen, die näher an den Lehr-Lern-Prozessen sind als z.B. der wenig taugliche erkenntnis-theoretische Konstruktivismus);
einen substantiellen Bezug zur Lebens-Welt der Schülerinnen und Schüler sowie der Erwachsenen (unbeschadet des zunehmenden Einflusses des Computers gibt es für alle Menschen nach wie vor ein intensives Leben körperlicher, geistiger, gesellschaftlicher Art losgelöst von diesem, das im Unterricht auf verschiedenen Ebenen zu berücksichtigen wäre: mindestens als mentale Grundlage für die Begriffs-Bildung und als fachlicher Maßstab für Inhalte und Methoden; aber eben auch die 'reale' Computer-Lebenswelt);
die Verarbeitung der computer-unabhängigen Geometrie-Didaktik; (vermutlich bedingen sich i., ii. und iii. gegenseitig).
Im Vortrag möchte ich, ausgehend von einigen Arbeiten der klassischen Geometrie-Didaktik, insbesondere
Peter Bender: Anschauliches Beweisen im Geometrieunterricht - unter besonderer Berücksichtigung von (stetigen) Bewegungen bzw. Verformungen
einige der genannten Aspekte diskutieren, aber auch dezidiert auf die Rolle des Beweisens im Geometrie-Unterricht mit (und ohne) Computer eingehen, z.B.
welche Rolle spielen (vorgestellte und 'effektive') Bewegungen beim Beweisen?
ab welcher Anzahl von Verifikationen soll eine Vermutung als bewiesen gelten?
wie kann einem (nun mit DGS erneuerten oder perpetuierten) Übergewicht der ebenen Papier-und-Bleistift-Geometrie begegnet werden (wenn denn überhaupt Geometrie-Unterricht stattfindet)?"
DGS
als Werkzeug zum präformalen, visuellen Beweisen
Hans-Jürgen
Elschenbroich
Der
Geometrie-Unterricht in der Tradition Euklids war traditionell ein idealer Platz
für das Lehren und Lernen von Beweisen, geradezu ein Exerzierplatz.
In den letzten Jahrzehnten ist jedoch der Anteil der Geometrie am Mathematik-Unterricht der S I deutlich zurückgegangen und insbesondere dabei der Anteil des Beweisens am Mathematik-Unterricht des Gymnasiums. In angelsächsischen Ländern ist die Abkehr vom Beweisen noch viel stärker, hier ist im Vergleich der deutsche Mathematik-Unterricht noch geradezu eine Bastion des Beweisens.
Ein Nachdenken darüber, wann, wie und wie formal man Beweise im Unterricht behandeln soll/ kann, gibt es länderübergreifend unabhängig von neuen Technologien schon länger (visuelle Beweise, präformale Beweise), erhält aber durch die Entwicklung der Software neue Aktualität.
Denn der Geometrieunterricht hat im letzten Jahrzehnt durch neu entwickelte Software neue Impulse bekommen: Dynamische Geometrie-Software ermöglicht es, durch den Zugmodus Invarianzen zu erkennen, Ortslinien zu untersuchen und dadurch einen neuen Zugang zu klassischen geometrischen Sätzen zu finden.
Diese Software birgt aber auch Gefahren, dass man nämlich sich auf das Experimentelle beschränkt, im Zugmodus nur noch Invarianzen feststellt und nicht mehr zur Frage nach dem 'Warum', zum Begründen kommt.
Im Hintergrund der Programme laufende Beweiser oder Eigenschafts-Checker verbessern diese Situation nicht, sondern verschärfen sie noch, indem diese die Frage nach dem "Ob" orakelgleich mit einem Ja oder Nein beantworten und die Frage nach dem "Warum" dadurch noch weiter in den Hintergrund treten kann.
In dem Beitrag soll den Fragen nachgegangen werden,
· inwieweit man heutzutage noch formale Beweise alten Stils mit neuer Software durchführen kann/ soll,
· wie vermieden werden kann, dass DGS den Aspekt des Begründens und Beweisens weiter an den Rand drängen,
· ob das Aufkommen von Beweisern die Problematik des Verdrängens von Beweisen aus dem Unterricht noch verschärft
· inwieweit DGS eine Plattform bieten, visuelles Herangehen mit den dynamischen Möglichkeiten der DGS zu verbinden,
· welche Konsequenzen sich für das erfolgreiche Lehren und Lernen von Beweisen mit DGS-Unterstützung ergeben,
· inwieweit ein visueller Beweis mit DGS als vollwertiger Beweis angesehen werden kann.
Es werden dabei Beispiele aus dem Unterricht der Klassen 7 - 9 vorgestellt, wo in geeigneten elektronischen Arbeitsblättern (zum Teil klassische) Beweisfiguren mit Hilfe des Zugmodus der Geometrie-Software 'zum Leben erweckt', dynamisiert werden.
Beispiel: Stuhl der Braut (Euklid-Dynageo).
Beispiel: Umkreis (Cinderella).
So lässt
sich die bekannte Beweisfigur „Stuhl der Braut“ zum Satz des Pythagoras, die
einen eher statischen Beweis liefert, mit den Möglichkeiten der DGS
dynamisieren.
Dabei wird das Teilverhältnis geändert und man erhält folgende Figur, die im Zugmodus die Frage aufwirft, wann und warum die einzelnen Flächen ‚zusammenpassen’ und einen Ansatz zur Lösung beinhaltet.
Zur mathematischen Modellierung des dynamischen Zeichenblatts
Thomas
Gawlick
Das statische Zeichenblatt modelliert die euklidische Ebene – was modelliert das dynamische Zeichenblatt? Die nachfolgende Antwort versucht eine mathematische Beschreibung der im Zugmodus auftretenden Phänomene. Dies kann als Beitrag zu einer Hintergrundtheorie der DGS aufgefasst werden.
Eine Zeichnung ist Abbild einer Figur F
der euklidischen Ebene E. Beim Ziehen erhält man eine ganze Familie von
Figuren. Zum Zeitpunkt t entsteht so die gezogene Figur Ft
aus F = F0.
Analog zur Hintereinanderschaltung von Dias bei der Projektion kann man sich die
einzelnen Figuren zusammengesetzt denken zu einer Zugfigur .
Dabei durchläuft der Zeitparameter t ein
Intervall I = [0, a] und die Figur Ft
wird eingebettet in E ´ {t},
die Zeichenblattebene zur Zeit t. Die zeitabhängige Veränderung der
dynamischen Zeichnung wird widergespiegelt von der Faserung p
:
F ® I,
(x,t) ® t.
In ihr findet man über jedem Zeitpunkt t Î
I als Urbild p -1(t)
= Ft ´ {t}
die zur Zeit t von der DGS dargestellte Figur.
Nachfolgend einige dynamische Visualisierungen von Zugfiguren:
Beispiel 1 (Euklid-Dynageo)
Beispiel 2 (Euklid-Dynageo)
Noch suggestiver als die Zuordnung der jeweiligen Figur zum Zeitpunkt wäre die zum gezogenen Punkt. Das setzt allerdings voraus, dass man stets dieselbe Figur erhält, wenn man einen Punkt wiederholt erreicht, d.h. dass sich die DGS deterministisch verhält. Dies widerspricht allerdings i.a. ihrer Stetigkeit (s.u.).
Auf der phänomenologischen Ebene lassen sich diese Begriffe wie folgt interpretieren:
Bei stetiger DGS lässt sich die
Zugfigur beschreiben durch Gleichungen mit stetigen Koeffizienten.
In der Regel werden die Komponenten von Ft
durch Familien affiner Transformationen aus F hervorgehen. Sind sie
zudem durch Gleichungen beschreibbar (enthalten also keine Strecken oder
Strahlen) erhält man eine schöne Charakterisierung:
Zugfiguren sind analytische Familien von Kurven.
Auf diese Weise lassen sich die mit DGS erzeugbaren Phänomene in den reichen Kontext der algebraischen Geometrie und Topologie einbetten. Als hilfreich erweist sich dies etwa beim Nachweis der Unverträglichkeit von Stetigkeit und Determinismus - betrachten wir das dazu von Kortenkamp (1999), in 6.2.2 gegebene Beispiel:
Sei F die Halbierende eines Winkels a. Zieht man einen Schenkel längs eines Kreises K = C, so dass a von 0 bis 2p läuft, kommt die bewegte Winkelhalbierende Ft mit sich zur Deckung: F0 = F2p – allerdings mit veränderter Orientierung, wie Beispiel 3 an einem endlichen Teilstück veranschaulicht.
Beispiel 3
Folglich lässt die zeitliche Zugfigur F sich hochheben zu einer Ortszugfigur F. Diese bildet ein Möbiusband – nachfolgend sieht man die Ortszugfigur eines Intervalls auf der Winkelhalbierenden, dargestellt in dreidimensionaler Projektion und gefasert über dem Zugkreis:
Wo steckt nun der Nichtdeterminismus? Diesen entdeckt man, wenn man der Umkehr der Orientierung wie folgt Rechnung trägt: Man wähle einen der beiden Schnittpunkte von F mit dem Zugkreis K von a aus. Dieser Punkt S wird beim Ziehen aus Gründen der Stetigkeit in sein Gegenüber transportiert. Das Zugbild von S definiert also einen Schnitt S: [0; 2p] ® F, t ® St , der Faserung p : F ®[0; 2p], der sich nicht zu einem stetigen Schnitt S: K ® F hochheben lässt (sonst könnte man ja auch das Möbiusband orientieren).
Aus diesem mathematischen Grund hat man also nun die Wahl zwischen
nichtdeterministischen Verhalten von S (die Lage von S hängt nicht nur von a ab, sondern auch davon, wie a zuvor gezogen wurde) – wie in Euklid, Cinderella.
Die Analyse des Beispiels zeigt aber auch:
Dynamische Geometrie lässt sich nicht adäquat beschreiben, wenn man Figuren alleinig als Punktmengen auffasst. Vielmehr bedarf es einer Anreicherung des Modells um Strukturmerkmale der jeweiligen Konstruktion.
Hierzu liefern die obigen Überlegungen einen Ansatz.
Exploration
reell algebraischer Kurven mit DGS
Thomas
Gawlick
Die
Ortslinienfunktion einer DGS ermöglicht auf Schulniveau genetische Zugänge zu
reell algebraischen Kurven höherer Ordnung, vgl. Weth (1991). Neuere DGS
verleihen den Ortslinien zusätzlich Objektcharakter, so dass man durch Ziehen
an Basiselementen die dynamische Visualisierung von Familien von Kurven erhält.
Auf diese natürliche Weise eröffnet sich die Möglichkeit eines Brückenschlages
zur modernen (reell) algebraischen Geometrie.
Dies
soll im Folgenden anhand des von Gawlick (2000e) skizzierten Sachverhalts
beispielhaft verdeutlicht werden. Inhaltlicher Ausgangspunkt ist folgende
Fragestellung (Hölzl 1999): Wie variiert der Höhenschnittpunkt H
eines Dreiecks
ABC,
wenn die Ecke
C den
Umkreis
K des
Ausgangsdreiecks durchläuft?
Mittels DGS erhält man leicht die Antwort - die Ortslinie
ist das Spiegelbild von
K an
AB.
Dies wird aber nach Hölzl den Lernenden so suggestiv erscheinen, dass objektive
Beweisnotwendigkeit und subjektives Beweisbedürfnis auseinander klaffen. Durch
Lösen der Bindung von B
an K verändert
seine Gestalt in
intuitiv nicht naheliegender Weise. Dies kann u.a. die Notwendigkeit plausibel
machen, das suggestive Ausgangsresultat zu begründen.
Zugleich stellt sich aber auch die Frage, was sich denn über diese neue
Ortskurve sagen lässt. Man kann zeigen: Die Ortslinie
des Höhenschnittpunkts ist stets eine Parabola nodata im Sinne von
Newton (1704), also eine spezielle Kubik. Dies beantwortet nicht nur die obige
Frage, sondern zeigt zugleich auf, wie DGS auf natürliche Weise den Zugang zu
Kurven höherer Ordnung eröffnet. Im Wechselspiel zwischen der Erkundung
geometrischer Phänomene mittels DGS und der Einordnung und Absicherung der
Beobachtungen mit algebraischen und analytischen Methoden kommt man insbesondere
zu der Konstruktion einer universellen Familie
aller Höhenschnittpunktskurven,
die durch beliebige Variation einer Ecke eines beliebigen Dreiecks auf einem
Kreis durch eine zweite Ecke entstehen. Ein paradigmatisches Beispiel für
sinnvollen Computer-Einsatz: ausgehend vom klassischen Phänomen ermöglicht er
die Heranführung an Begriffe und Sichtweisen der modernen Mathematik.
Das Beispiel schafft aber auch Verbindungen zu relevanten Forschungsfragen, wenn es etwa darum geht, die genannte Kurve als affines Bild einer polynomialen Abbildung zu charakterisieren. Dies eröffnet insbesondere den theoretischen Hintergrund zur Klärung der folgenden, sonst scheinbar zufälligen Tatsache: auf verschiedene Weise durch Elimination von Parameterdarstellungen erhaltene Gleichungen enthalten außer dem betrachteten geometrischen Ort weitere Komponenten.
Using Dynamic Geometry to introduce Non-Euclidean Geometries
Bernard Genevès
Dynamic geometry allows to realize geometric models with dynamic features, which could not be obtained by other means, unless great difficulties.
Aim of this work is to present some basis aspects of non-euclidean geometries, by using simple models and experiment with them.
The models are simple polyedral surfaces in space, ergo a cube, and are chosen so that they can be created, or manipulated by students; students may look at lines running on these surfaces, and violating the well-known Euclidean Postulates.
These experiments can be a starting point for theoretical reflexion: revisiting the concept of straight line, discussing path minimization, globally or locally, and looking at the influence of curvature; viewing a straight line as a light beam appears to be fruitful.
Surfaces are paper-made or Cabri dynamic diagrams. The later permits varying parameters, or showing simultaneously different unfoldings of the same surface.
The methods used to build the simulations with Cabri can also be discussed, particularly the fact that Euclidean geometry, or an extension of it -dynamic geometry- can support models of multiple geometries; realization of the proposed models raise geometric problems, for example, when discarding Euclidean properties from affine ones.
(joint work with S. GALLOT, of the Fourier Institut for Pure Mathematics, at Grenoble University)
Didaktische Betrachtungen zum Geometrie-Unterricht beim Einsatz von Cinderella
Gaby Heintz
Bestandteil aktueller Diskussion im Bereich der Mathematik-Didaktik sind die Veränderungen bestehender Unterrichtsstrukturen und -inhalte und die Konstruktion dieser Inhalte auf der Basis neuer Technologien im Mathematikunterricht. Die Zeit der Euphorie ist vorbei, die durch neue Softwareentwicklungen für den Geometrieunterricht, im deutschsprachigen Raum allgemein als interaktive oder dynamische Geometrie-Software bezeichnet, qualitativ hochwertige bzw. größere Lernerfolge prophezeite. Der Fragestellung, welchen Einfluss der Computer auf den Unterricht und seine Lernbedingungen hat, muss nachgegangen werden.
Aufgabe der Mathematikdidaktik wird es sein, Designs für Unterricht mit dem Computer zu entwerfen. Der aufgestellten Forderungen nach Berücksichtigung des persönlichen Lernprozesses der Schüler, der Vielfältigkeit von Lösungswegen sowie der Gestaltung der Arbeitsaufträge müssen konkrete Umsetzungen folgen. Wenn sich das Lernen verändert, wie muss sich dann infolge das Lehren verändern?
Neben der neu zu organisierenden Lernumgebung spielen insbesondere die einzusetzenden Arbeitsblätter für die Arbeit mit dem Computer eine große Rolle. Cinderella verfügt über die Möglichkeit, sogenannte interaktive Arbeitsblätter mit integrierter Lösungskontrolle zu erstellen. Zum Lösen einer Konstruktionsaufgabe können Hinweise zum Auffinden der Lösung, die über unterschiedliche Lösungswege erreicht werden können, vom Lehrer beliebig variiert werden. Dieses mögliche Potential der DGS für die Hand des Lehrers und der damit verbundenen Hilfestellung für die Gestaltung des individuellen Lernprozesses der Schüler ist Bestandteil empirischer Forschungen.
Beispiel (Cinderella)
Im Vortrag werden Fragen nach z.B. notwendiger Veränderung der Lernumgebung, Gestaltung von unterrichtsbegleitenden Arbeitsblättern mit "automatischer Lösungskontrolle" sowie Erfahrungen aus der Lehrerfortbildung anhand von Beispielen, die für den Geometrieunterricht der Jahrgangsstufe 7 zum Themenkreis Mittelsenkrechte und Winkelhalbierende erprobt wurden, behandelt.
Auf dem Weg zu einer “neuen Unterrichtskultur”?
Hans-Wolfgang Henn
Die enttäuschenden Ergebnisse der deutschen Schülerinnen und Schüler bei TIMSS haben den BLK-Versuch “Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts” ins Leben gerufen. Bis vor kurzem habe ich die gymnasiale Gruppe des Baden-Württembergischen BLK-Projekts “Weiterentwicklung der Unterrichtskultur im Fach Mathematik” betreut.
Der deutsche Mathematikunterricht ist, wie wir nicht zuletzt aus den Erfahrungen von TIMSS wissen, zu stark von Kalkülen und Routinen geprägt. Der als “deutsches Script” beschriebene fragend-entwickelnde Unterricht ist eher an Produkten als an Prozessen orientiert. Diese normative Sicht von Mathematik muss zugunsten einer viel stärker subjektivistische und epistemologische Aspekte des Lernens und Lehrens von Mathematik berücksichtigenden Sichtweise zumindest ergänzt werden.
Unter diesen Gesichtspunkten ist die Geometrie in unseren Projektklassen wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt. Schließlich ist Geometrie in hervorragender Weise geeignet, Schülerinnen und Schülern eigene Erfahrungen mit allen Facetten mathematischen Arbeitens zu erschließen. Die nötige Akzentverschiebung von Mathematik als Produkt zu Mathematik als Prozess kann durch den Einsatz neuer Technologien, im Falle der Geometrie also von Dynamischen Geometriesystemen, erleichtert und unterstützt werden.
Es besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, dass die Entwicklung produktiver Lernumgebungen gemäß der Wittmannschen Auffassung von Mathematikdidaktik als design science besonders erfolgversprechend dafür ist, die unverzichtbare Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler anzuregen und den Aufbau von Fertigkeiten einerseits und von adaequaten Grundvorstellungen andererseits zu ermöglichen. Auch solche Lernumgebungen können durch die neuen Technologien sehr positiv unterstützt werden.
Im Vortrag soll über unsere diesbezüglichen Überlegungen, Ansätze und Erfahrungen berichtet werden.
Zur Integration eines wissensbasierten Beweisexperten in ein DGS
Gerhard Holland
Der Vortrag soll Antwort geben auf die Fragen: „Was“, „wie“ und „wozu“ beweist der 'Beweisexperte' des Geometriesystems GEOLOG 5.0.
Hinweis:
In dem Geometriesystem GEOLOG 5.0 wurden die vier Komponenten von GEOLOG –WIN, nämlich
das DGS GEOLOG,
das Expertensystem GEOEXPERT (mit einem Beweisexperten zur Lösung von Beweisaufgaben und einem Konstruktionsexperten zur Lösung von Konstruktionsaufgaben),
das Tutorsystem GEOBEWEIS (zum Üben von Beweisaufgaben),
das Tutorsystem GEOKON (zum Üben von Konstruktionsaufgaben)
zu einem einzigen System integriert.
Was beweist der Beweisexperte?
1) Folgerungen von Relationen, die zu einer eingegebenen Beweisfigur explizit als Voraussetzungen eingegeben werden.
2) Relationen einer mit dem DGS konstruierten Konfiguration, die im Zugmodus invariant sind.
Einschränkung:
Es werden nur Relationen der folgenden Gestalt als Voraussetzungen zugelassen bzw. als Folgerungen deduziert:
Strecke UV ist kongruent zur Strecke XY,
Strecke UV hat die Länge L,
Abstand des Punktes P von der Geraden UV beträgt d,
ÐUVW ist kongruent zu ÐXYZ,
ÐUVW hat das Winkelmaß W,
Polygon AB...Z hat Flächeninhalt a,
Dreieck UVW ist kongruent zu Dreieck XYZ,
Gerade UV ist parallel zu Gerade XY
Gerade UV ist Orthogonal zu Gerade XY
Viereck ABCD ist ein Parallelogramm
Wie beweist der Beweisexperte?
Zu 1) Der Beweisexperte operiert auf einer Wissensbasis von geometrischen Theoremen und deduziert (vorwärtsverkettend) alle Folgerungen aus den Voraussetzungen – bis die zu beweisende Relation deduziert ist. Implizit werden Relationen zur Inzidenz und Anordnung der Beweisfigur entnommen.
Zu 2) Hier werden zunächst alle Relationen ermittelt, die unmittelbar aus der Konstruktion folgen. (Wurde z.B. der Punkt P als Schnittpunkt eines Kreises mit dem Mittelpunkt M und dem Radius r und einem anderen Objekt konstruiert, so folgt ummittelbar: MP = r.) Anschließend werden alle Relationen deduziert, die aus den unmittelbaren Relationen (als Voraussetzungen) und den Theoremen der Wissensbasis deduzierbar sind.
Wozu dient ein wissensbasierter Beweisexperte in einem DGS?
Beweis der Richtigkeit einer geometrischen Konstruktion.
Überwachung und Hilfestellung beim übenden Lösen von Beweis- und Berechnungsaufgaben.
DGS-unterstützte Vermutungs- und Beweisfindung
Hermann Kautschitsch
Viele Untersuchungen zeigen, dass im traditionellen Mathematikunterricht Inhalte fehlen, an denen sich Prozesse des heuristischen Denkens und der Entwicklung höherer formaler Qualifikationen wie Vermuten, Beweisen und Verallgemeinern entwickeln können. Auch der Computereinsatz hat die bisherigen Schwerpunktsetzungen und die dadurch hervorgerufenen Defizite nur verstärkt, weil i.a. die intellektuelle Anforderungsstruktur gleichgeblieben ist. Auch die Unterrichtsform hat sich trotz Computereinsatz nicht verändert, nach wie vor wird fertige Mathematik in algorithmischer oder deduzierender Form präsentiert. Der bloße Einsatz neuer Medien, auch von DGS, bewirkt i. a. noch nichts, erst im Zusammenwirken mit anderen Unterrichtsformen kann sich eine Änderung in der intellektuellen Anforderungsstruktur ergeben. Gerade in der Geometrie ergibt sich wegen des großen Erfahrungsschatzes von Raum und Bewegung ein großes Übungsfeld zur Erlangung obiger Qualifikationen. Diese Bewegungserfahrung kommt dem kinematisch-funktionalen Denken der vor allem jugendlichen Schüler sehr entgegen.
Im Vortrag soll gezeigt werden, wie durch eine DGS-unterstützte experimentelle Unterrichtsform vor allem das Risiko für das Nichtfinden von Vermutungen und Begründungen reduziert werden kann. Um das Risiko eines Mißerfolges zu mindern, müssen dem Schüler „Fluchtwege“ in vertraute Bereiche und erlernbare Strategien angeboten werden.
Je nachdem, in welchen vertrauten Bereich gearbeitet wird, kann man unterscheiden eine
funktionsunterstützte experimentelle Mathematik (EM): Erzeugen und Interpretation von Abhängigkeitsgraphen mittels Messungen und Rechnungen.
bildunterstützte experimentelle Mathematik: Erzeugen und Interpretation bekannter Konstellationen aus geometrischen Grundfiguren (Optisches Lexikon).
DGS ermöglicht eine simultane Darstellung von Veränderungen geometrischer Grundgrößen und des Aufbaus des Abhängigkeitsgraphen und damit ein zusammengehöriges Verständnis von Graph und Konstanz von Summe, Differenz, Produkt und Quotienten. Bewegungen und Passvorgänge unterstützen das Finden von fruchtbaren Hilfslinien und Teilfiguren. Funktionales Denken (wechselweises Konstanthalten, systematisches Variieren) hat eine heuristische Funktion für das Entdecken von Abhängigkeiten und Invarianten. Die Suche nach Invarianten wiederum hat eine heuristische Funktion für das Beschreiben von Zusammenhängen, funktionsunterstützte EM erweist sich so besonders nützlich für das Finden von Vermutungen. Eine bildunterstützte EM dagegen unterstützt vor allem die Begründungsfindung durch das Aufspüren von stets durchführbaren Handlungen.
Die „Funktionssprache“ ist ein so mächtiger Kalkül, dass sonst auftretende Schwierigkeiten verdeckt werden. Funktionsgraphen lenken den Blick „automatisch“ auf das Ganze, in ihnen ist eine globale Information verpackt. Die Flucht in den Funktionskalkül mag vielleicht ungeometrisch wirken, sie verkleinert jedoch das Risiko, dass der Schüler nichts entdeckt, gewaltig, außerdem scheint mir die Funktionssprache eine mit dem Computer natürlich verbundene Sprache zu sein. Ebenso ist die Suche nach Invarianten eine mit dem Computer leicht realisierbare und für das Finden von Vermutungen (Invarianz von Eigenschaften) und Begründungen (Invarianz von Handlungen) auch für Schüler nützliche Strategie. Die angeführten Ideen werden anhand von Beispielsequenzen aus der ebenen Geometrie und filmisch aufgezeichneten Schülerbeobachtungen demonstriert.
Mathematische Grundlagen des Zugmodus in DGS
Ulrich Kortenkamp
Der fundamentelle Unterschied von Konstruktionen in DGS und Zeichnung auf Papier (oder auch Konstruktionen in "statischer" Geometriesoftware) ist die Verfügbarkeit eines "Zugmodus": Freie Parameter (Punktkoordinaten, Geradensteigungen, etc.) können mit der Hilfe der Maus nachträglich angepasst werden. Nur dadurch wird die interaktive, experimentelle Exploration dynamischer Eigenschaften einer Konstruktion ermöglicht. Diese Eigenschaften lassen sich grob in invariante und variante Eigenschaften aufteilen, wobei beiden Klassen verschiedene Bedeutung zukommt.
Die Invarianten einer Konstruktion beschreiben das, was gemeinhin als "Geometrische Sätze" bezeichnet wird: unabhängig von der Wahl gewisser freier Parameter treffen sie stets zu -- Beispiele hierfür sind klassische Sätze wie der Satz von Pascal, der Höhenschnittpunktsatz und unzählige andere. In der Mathematik gilt, spätestens seit Kleins Erlangener Programm, das Studium von Invarianten als der Standardzugang zur Geometrie.
Die Varianten, also die genuin dynamischen Eigenschaften einer Konstruktion, erlangen gerade in der Didaktik eine immer stärkere Position. Dies wird durch verschiedene Faktoren unterstützt: Die immer wichtiger werdende Verknüpfung von Computer-Algebra-System (CAS) mit DGS und damit die Frage nach der Konstruierbarkeit von Funktionen; der kreativitätsbildende Ansatz durch die Untersuchung von Ortskurven sowie die empirische Feststellung, dass die Varianten von Schülern stärker wahr genommen werden als die Invarianten (verstärkt durch die unkritische Akzeptanz von und der fehlenden Begeisterung für geometrische Sätze). Zudem darf auch nicht vergessen werden, dass die Frage nach der Anwendung von Geometrie in den Ingenieurwissenschaften stark durch die Varianten bestimmt wird, wenn zum Beispiel Mechanismen entwickelt werden sollen, die eine bestimmte Bewegung vollführen können.
Die eminente Bedeutung des Zugmodus macht eine strikt mathematische Definition unumgänglich, damit der Umgang mit einem DGS tatsächlich zu den gewünschten, mathematisch korrekten Ergebnissen führt. Erstaunlicherweise wurde bislang das Verhalten von Geometriesoftware unter Bewegungen nicht auf dieser Ebene hinterfragt, sondern eventuelle Artefakte, sofern sie nicht gehäuft auftraten, billigend in Kauf genommen. Die zwei zu klärenden Hauptfragen sind die Behandlung halb-freier Elemente (Punkt auf Gerade etc.) und die automatische Auflösung von Uneindeutigkeiten (wie beim Schnitt von Gerade und Kreis).
In diesem Vortrag möchte ich einen Ansatz vorstellen, der ein wohldefiniertes Verhalten im Zugmodus ermöglicht, welches zudem die meisten Anwendungen -- Ortskurven, automatisches Beweisen, physikalisches Verhalten -- in idealer Weise unterstützt. Er basiert auf Methoden aus der Funktionentheorie und gibt damit auch einen elementargeometrischen Einstieg in die Theorie der Riemannschen Flächen.
Randomisiertes Beweisen in nicht-linearen Situationen
Ulrich Kortenkamp
Randomisierte Techniken sind nicht nur beim automatischen Beweisen, sondern beispielsweise auch in der Optimierung anerkannte Methoden, um in vertretbarer Zeit zu guten, wenn nicht gar optimalen Ergebnissen zu kommen. Einige Probleme, für die keine effizienten deterministischen Methoden exisitieren, werden so erst lösbar.
Für automatische Beweise in der Geometrie eignen sich randomisierte Verfahren gut, sofern sich die zu beweisenden Theoreme in Form von Polynomgleichungen ausdrücken lassen. Für konstruktive Theoreme, also Sätze, die sich als Ergebnis einer Sequenz von eindeutigen Konstruktionsschritten ausdrücken lassen, ist dies zumeist der Fall. Im ersten Teil will ich die dafür notwendigen formalen Voraussetzungen beschreiben und die Möglichkeiten und Grenzen der Methode beschreiben.
Im zweiten Teil des Vortrages möchte ich auf die Hürden, die sich durch die Einführung von uneindeutigen Konstruktionsschritten ergeben, eingehen. Zunächst muss -- unabhängig von der Beweismethode -- für solche Fälle die Frage "Was ist ein geometrischer Satz?" geklärt werden (vergl. den Vortrag "Mathematische Grundlagen des Zugmodus in DGS", Sektion 3). Sobald wir den Theorembegriff festgelegt haben, können wir uns den eigentlichen Problemen des randomisierten Beweisens zuwenden:
Wie können genügend Instanzen eines Theorems produziert werden?
Wie kann die Wahrscheinlichkeitsverteilung kontrolliert werden?
Muss exakt gerechnet werden, oder ist es möglich, mit beschränkter Genauigkeit auszukommen?
Bereits die erste Frage wirft unerwartet schwere Probleme auf: So ist es wahrscheinlich schon schwer zu entscheiden, ob eine zweite Instanz in der selben Komponente des Realisationsraumes einer Konstruktion liegt wie eine gegebene erste Instanz (die algorithmische Komplexität dieses Problems ist derzeit unbekannt). Dementsprechend schwer ist es, eine Garantie für eine günstige Wahrscheinlichkeitsverteilung anzugeben.
Die Frage nach der notwendigen Rechengenauigkeit kann derzeit auch nicht befriedigend beantwortet werden. Hier möchte ich die Ansätze vorstellen, die durch analoge Fragen in der Computational Geometry bei der Evaluation von (konstanten!) Wurzelausdrücken motiviert sind.
Basierend auf diesen Einblicken werde ich noch auf die derzeit bekannten Heuristischen Ansätze, wie sie in der Geometriesoftware Cinderella implementiert sind, eingehen.
Zwischen Zeichnung und Theorie - Geometrielernen mit Dynamischer Geometrie Software
Colette Laborde
Es wird zuerst die Hypothese formuliert, dass beim Problemlösen im Bereich der Geometrie auch in einer Papier-Bleistift Umgebung eine Interaktion zwischen der Ebene der Zeichnungen und der Ebene der theoretischen Objekte stattfindet. Bei der Exploration der Zeichnung werden räumliche Relationen bemerkt und in der theoretischen Ebene interpretiert. Dies kann mit theoretischen Mitteln (Theoremen, Definitionen) entweder begründet werden oder zu neuen theoretischen Ergebnissen führen. Dies ermöglicht einen andere Sicht der Zeichnung oder führt dazu, neue Elemente in der Zeichnung zu zeichnen. Eine Spirale aus inneren Verarbeitungen in jeder Ebene und aus Übergängen von einer Ebene zu der anderen wird durchlaufen.
Geometrische Probleme werden meistens in der theoretischen Ebene ausgedrückt und die Antwort soll auch theoretisch formuliert werden. Aber während der Zwischenphasen wird die Zeichnung verarbeitet, und zwar auch oder sogar besonders für einen Experten. Man kann vermuten, dass dieses Wechselspiel zwischen den beiden Ebenen für die Anfänger nicht so spontan stattfindet. Deshalb betrachten wir es als wichtig, dass die Schüler im Geometrieunterricht lernen, Beziehungen zwischen Zeichnung und Theorie aufzubauen.
Eine dynamische Geometriesoftware kann zu einem solchen Lernen beitragen, da diese Software eine neue Art von Zeichnungen anbietet, deren Verhalten räumliche und theoretische Aspekte kombinieren. So kann der Unterricht die Möglichkeiten der DGS benutzen, um spezifische Situationen zu gestalten, die diese Übergänge zwischen Zeichnung und Theorie unterstützen.
In dem Vortrag werden verschiedene Typen von Lernsituationen in einer DGS-Umgebung unterschieden, je nach dem sie einen Übergang erfordern
von der Zeichnung zum Text
vom Text zu der Zeichnung
von der Zeichnung zu der Zeichnung
vom Text zum Text.
Es
wird versucht, zu zeigen, wie die Besonderheiten der DGS (geometrische Primitive
und Zugmodus) eine spezifische Rolle in Bezug auf die Schülerlösungsstrategien
in den verschiedenen Situationstypen spielen.
Diese Veränderungen im Vergleich
mit der Papier Bleistift Umgebung betreffen
die Natur der Aufgabe selbst: es gibt Problemtypen, welche nur in solchen Umgebungen existieren, die gewöhnlichen Aufgaben können dazu eine andere Bedeutung erhalten und eine Komplexität von anderer Natur haben.
die Lösungsprozesse und die Validierungsarten, welche die Umgebung ermöglicht.
Diese Analyse wird mit Ergebnissen aus empirischen Untersuchungen illustriert werden.
Curves in a Dynamic Geometry Environment like Cabri and Equation of Loci
Jean-Marie Laborde
Lines as curves of degree one,
along with circles, have played a central role in the development of Euclidean
geometry, often seen as the geometry of ruler and compass. Today, modern dynamic
software with direct manipulation adds general conics, i.e. curves of degree 2,
as new tools for construction and reasoning, making them just as easy to use as
a lines in classical geometry. In Cinderella and Cabri Geometry conics are basic
tools, defined by 5 points the same way a line is defined by 2 points.
This presentation will explore how modern DGS can be used to construct, draw and investigate the world of cubics defined by 9 points.
Futher this leads to the idea, for a given curve defined as a locus, to choose, at random, points on it to find one of its possible equation: Choosing 2 points one can determine the line joining them. Choosing a third point, if it appears to be on that line, one can infer with some degree of confidence that the curve contains at least chunks of lines.
In many cases some extra consideration would permit to conclude that the locus is actually a line. In the case of loci being actually conics, one could check this situation and have its equation in choosing randomly 5 points and then checking for a 6th point if it belongs to the conic (i.e. satisfies the equation).
For loci corresponding to algebraic curves this method, as it can be implemented in the framework of Cabri-geometre, works as long the overall precision of computation is sufficient to ensure enough confidence. Practically on a PowerPC based Macintosh or a Pentium based Windows system degrees 6 or 7 seem to be the upper limit (Actually on older 680x0 based Macintoshes, using the mathematically well designed SANE Standard Apple Numerical Environment the method is easily tractable till degree 10).
In the presentation I will also touch the question for loci corresponding to nonalgebraic curves, as cases where the locus is the graph of a function involving in a "simple" way bricks like sin or exp. The question here is not reduced to what is commonly known as curve fitting.
I
will conclude in showing how this method can be used to determine automatically
symbolic equation for some classical curves, including cardioids ((x2+y2)2
-2ax(x2+y2)=a2y2) and the like, as
well as how it makes possible to symbolically factorize polynomials.
Symbolisches Beweisen geometrischer Sätze
Jürgen Richter-Gebert
Mit dem Auftreten dynamischer Geometriesysteme und deren Einsatz im Unterricht ergibt sich die Frage nach der Rolle des "streng mathematischen Beweises" in einer Umgebung, die eher auf Experimentieren und intuitives Erfassen von Zusammenhängen ausgerichtet ist.
Viele DGS sind mit Mechanismen versehen, die das automatische Beweisen oder Überprüfen geometrischer Sätze ermöglichen. Die Spannbreite und Aussagekraft der von diesen "Beweisern" eingesetzten Methoden reicht hierbei vom einfachen numerischen Überprüfen einer Konklusion in einer bestimmten Situation über Gröbenerbasen gestützen idealtheoretischen Beweisern (Kutzler & Stifter 1986, Wu 1994) bis hin zu Logik basierten (Holland 1996) oder invariantentheoretischen (Crapo & Richter-Gebert 1995, Richter-Gebert 1995a) Beweisen.
Die eingesetzten Verfahren lassen sich grob in folgende Kategorien einordnen:
Situatives Überprüfen: Bestimmte mögliche Konklusionen (z.B. die Kollinearität dreier Punkte) lassen sich mit einer Art "Überwachungsinstanz" versehen, die für die jeweilige Position der Zeichnung überprüft, ob die Konklusion mit hinreichender Genauigkeit erfüllt ist oder nicht. Streng genommen handelt es sich hierbei um keinen Beweiser, sondern lediglich eine Art Hilfsfunktion, die einem lediglich das Nachrechnen in einer bestimmten Situation erleichtert.
Randomisierte Beweiser: Legt eine bestimmte Instanz einer Zeichnung die Vermutung einer bestimmten Koinzidenz (zusammen mit einem dahinterstehenden geometrischen Satz) nahe, so kann diese Vermutung durch das Erzeugen weiterer hinreichend zufälliger Instanzen entweder schnell widerlegt oder mit sehr hohem Wahrscheinlichkeitsgrad erhärtet werden. Diese Tatsache machen sich randomisierte Theoremüberprüfer zu Nutze. Diese Erzeugen viele hinreichend zufällige Beispiele, an denen jeweils versucht wird, die Vermutung zu falsifizieren. Gelingt die Falsifizierung nicht, muss die Vermutung mit hoher Wahrscheinlichkeit als korrekt angenommen werden. Zwar liefern auch diese Methoden keinen strengen mathematischen Beweis, sie ermöglichen aber das schnelle Aufstellen korrekter Aussagen mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit".
Idealtheoretische Beweiser: Geometrische Sätze lassen sich zumeist sehr einfach algebraisieren. Man parametrisiert dabei die beteiligten geometrischen Objekte über einem geeigneten Koordinatenbereich und übersetzt die Hypothesen und die Konklusion eines Satzes in Nullstellenmengen geeigneter Polynome. Der Nachweis eines Theorems besteht dann "lediglich" im Nachweis, dass das Konklusionspolynom im Radikal des von den Hypothesenpolynom aufgespannten Ideals liegt. So verlockend dieser Ansatz auch scheint (immerhin liefert er mathematische Beweise im strengen Sinne, und ist mit Methoden der algebraischen bzw. semialgebraischen Geometrie generell durchführbar), birgt er dennoch einige entscheidende Nachteile. Einerseits liefern diese Beweise zumeist Polynomgleichungen, die sehr groß sind und keinen direkten Bezug zur ursprünglichen Geometrie der Konfiguration haben. Andererseits ist es beim heutigen Stand der Technik nur bei relativ kleinen Beispielen möglich einen solchem Beweis überhaupt automatisch zu generieren.
Invariantentheoretische Beweiser: Eine vielversprechende Variante des letztgenannten Verfahrens bilden Beweiser, die eine geometrienahe Algebraisierung des Problems heranziehen. Die grundlegenden Koordinaten dieser Beweiser kommen nicht mehr von einer rein cartesischen Einbettung der Konfiguration, sonder von invarianten Größen wie Längenverhältnissen, Doppelverhältnissen und gewissen Dreiecksvolumina. Die hierbei entstehenden Polynomidentitäten sind oftmals sehr kurz und enthalten viel "geometrische Information". Dennoch ist dieser vielversprechende Ansatz derjenige, der bisher noch die meisten Forschungsprobleme offen lässt.
Logik basierte Beweiser: Ein weiteres prinzipiell verschiedenes Verfahren besteht im Aufsuchen einer logischen Schlusskette, die beispielsweise ausgehend von Euklids Axiomensystem den Höhensatz beweist. Auch hier hat man auf der algorithmischen Seite mit dem Problem kombinatorischer Explosion zu kämpfen. Dennoch trifft dieser Beweisansatz das klassische in der Schule vermittelte Beweiskonzept am ehesten.
Im Vortrag werden die verschiedene Methoden des symbolischen Beweisens einander gegenüber gestellt. Besonderer Schwerpunkt wird hierbei auf die vom Autor weiterentwickelten invariantentheoretischen Methoden gelegt, welche eine Möglichkeit darstellen für große Klassen von Theoremen kurze, lesbare und geometrisch einsichtige Beweise automatisch zu generieren.
Euklidische und Nicht-Euklidische Geometrie in Cinderella
Jürgen Richter-Gebert
Programme zur dynamischen Geometrie halten seit geraumer Zeit Einzug in die Klassenräume der Schulen und in die Studierzimmer der Mathematiker. Die wesentliche Eigenschaft dieser Programme ist die Möglichkeit, mittels Mausclicks Konfigurationen der Elementargeometrie erstellen zu können, die dann anschließend in einem "Zug-Modus'' dynamisch und fließend variiert werden. Ein wichtiges inhaltliches Element solcher Programme ist das zur Verfügung stellen von geometrischen Primitivoperationen, die es erlauben, einfache Konstruktionsschritte wie das Einzeichnen eines Schnittpunktes, einer Parallelen oder eines Kreises durchzuführen.
Während die meisten derzeit erhältlichen Programme eine relativ gute Unterstützung für euklidische Geometrie aufweisen, fällt die direkte Unterstützung nicht-euklidischer Geometrien (wie z.B. hyperbolischer Geometrie) eher spärlich aus. Dies liegt daran, dass die internen Darstellungen der geometrischen Grundelemente und Operationen in aller Regel sehr eng auf euklidische Geometrie bezogen sind. Unterstützung nicht-euklidischer Geometrien kann dann nur über von Hand programmierte Makros oder andere Workarounds gewährleistet werden.
Das von uns entwickelte neuartige Geometrieprogramm Cinderella geht hier einen anderen Weg. Es wurde von Anfang an darauf geachtet, Koordinatenrepräsentationen der Objekte zu wählen, die hinreichend allgemein sind, um eine große Zahl verschiedener Geometrien zu modellieren. Auf diese Weise werden nicht-euklidische Geometrien zum integralen Bestandteil von Cinderella, deren Handhabung ebenso einfach ist wie die der normalen euklidischen Geometrie.
Dieser Beitrag soll in die hinter der Implementierung stehenden mathematischen Hintergründe einführen. Wesentliche Teile der Theorie basieren auf den Erkenntnissen der großen Geometer des neunzehnten Jahrhunderts.
Aufbauend auf den Prinzipien der Projektiven Geometrie wird zunächst erläutert, wie man den Punkte/Geraden/Kegelschnitte algebraisch elegant repräsentiert. Der zweite Teil des Vortrags beschäftigt sich mit dem häufig existierenden Vorurteil, dass basierend auf projektiver Geometrie eine einfache Behandlung metrischer Zusammenhänge nicht möglich sei. Erlaubt man in der algebraischen Darstellung auch komplexe Zahlen, so ist in gewisser Weise genau das Gegenteil der Fall. Aufbauend auf Projektiver Geometrie über komplexen Zahlen wurde bereits 1871 von Felix Klein ein elegantes System entworfen, welches eine einheitliche Behandlung von euklidischer, hyperbolischer, elliptischer und relativistischer Geometrie ermöglicht. Im Vortrag sollen in einer Art "Crashkurs'' die wesentlichen Grundlagen dieser so genannten Cayley-Klein-Geometrien vermittelt werden. Insbesondere soll erklärt werden, wie sich diese Theorie zur Implementierung geometrischer Primitivoperationen wie Kreisoperationen, Messen, Senkrechte, Winkelhalbierende nutzen lässt.
Die Behandlung von Funktionen einer reellen Variablen mit Methoden der dynamischen Geometrie von Cabri II
Heinz Schumann
Die Anwendung von Methoden der dynamischen Geometrie stellt eine neue Verbindung zwischen synthetischer Geometrie und den Funktionen einer reellen Variablen her:
Der direkt manipulative Darstellungsformenwechsel zwischen Wertepaaren, Schaubild und Funktionsgleichung gestattet Visualisierungen und Untersuchungen von Funktionen, die über die der Funktionsplotprogramme hinausgehen.
Die Untersuchung geometrischer Figuren auf funktionale Beziehungen hin motiviert die Entwicklung von Funktionsgleichungen aus empirischen Funktionen.
Die Untersuchung geometrischer Figuren auf extremale Eigenschaften induziert (allgemeine) Extremwertaufgaben, die elementar mit Hilfe von Computeralgebra gelöst werden können.
Chancen und Probleme des Zugmodus
Rudolf Sträßer
Das
Geometrie-Lernen lässt sich mit dem "epistemologischen Dreieck" Gegenstand/
ReferenzKontext-Zeichen/
Symbol - Begriff untersuchen (vgl.
z.B. Steinbring 1999).
Dabei zeigen sich folgende Eigenheiten des Geometrie-Lernens:
Geometrie wird in zwei Kontexten betrieben: im System geometrisch-logischer Relationen und in der Erforschung des uns umgebenden, gegenständlichen Raumes. Diese (heute getrennten) Kontexte bildeten bis zur Entdeckung der nicht-euklidischen Geometrien eine Einheit. Diese Einheit definierte bis ins 19. Jahrhundert ein wissenschaftliches Paradigma (® "more geometrico").
Geometrie(-Lernen) ist durch eine Vielfalt von Zeichensystemen (traditionelle geometrische Zeichnung, weitere graphische Darstellungen, logisch-symbolische Zeichenketten, muttersprachlicher Text u.a.) gekennzeichnet. Die traditionelle statische Zeichnung ist dabei unbestritten das etablierte und relativ alte Zeichensystem.
Dynamische Geometrie-Software fügt diesen Zeichensystemen ein weiteres hinzu: Das dynamische Zeichenblatt. Es ermöglicht (vor allem durch den Zugmodus) einen Einblick in die durch die Konstruktion bestimmten geometrischen Relationen (die Figur), indem es die materialisierte graphische Darstellung (die Zeichnung) dynamisiert.
Das
dynamische Zeichenblatt der DGS liefert allerdings kein exaktes Abbild der
Geometrie, sondern hat spezifische Eigenschaften, ein "Eigenleben".
Genauer:
die verschiedenen DGS haben ihre jeweiligen Eigenarten je nach spezieller
"Design-Entscheidung"
des Entwicklers. Der Versuch der DGS-Entwickler, diese Eigenheiten zu
verbergen und nur traditionelle Eigenheiten an die "Oberfläche"
dringen zu lassen, ist an entscheidenden Stellen nicht erfolgreich.
”Monster” (vgl. etwa das ”Tangenten-Monster” von Sträßer) wie auch
das Verhalten von Punkten auf Linien im Zugmodus (vgl. die Analysen von Hölzl)
verweisen auf die Grenzen dieser Bemühungen.
Das "neue" Zeichensystem der DGS modelliert - gemäß der zugrundeliegenden, der Mathematik entlehnten Syntax/Semantik - eher den Kontext "geometrisch-logischer Relationen". Die Exploration der Ebene (und - bei geeigneten Bemühungen - des Raumes) im Sinne des zweiten Kontextes ist eine (willkommene!) Zugabe. Als Konsequenz stehen in der (didaktischen) Debatte um DGS "Beweisen" und "Heuristik/Problemlösen" im Zentrum.
Der Sektionsbeitrag soll folgende Themen bearbeiten:
der Zugmodus als spezielle Design-Entscheidung der DGS-Entwickler
der Zugmodus als Kriterium der Korrektheit einer Konstruktion
"zugmodus-resistente" DGS-Konstruktion als Ziel des Geometrie-Unterrichts der S I
die Rolle des Zugmodus für Exploration und Heuristik des Problemlösens und Auswirkungen auf das Beweisen.
Zur Bedeutung didaktischer Prinzipien im Entschleunigungsprozess beim Lernen mit neuen Technologien
Weigand, Hans-Georg
Unterrichtsversuche (Weigand 1999a) zeigen, dass Lernende am Computer nicht die Ruhe und Muße aufbringen, Bildschirmdarstellungen zu lesen, zu interpretieren und darüber zu reflektieren. Darstellungen werden oft nur optisch als Bilder wahrgenommen, aber nicht als Darstellungen mathematischer Objekte hinterfragt. Weiter führt die Konzentration auf die technische Handhabung des Gerätes und die mit hoher Geschwindigkeit ablaufenden Prozesse der Computerdarstellung zum technischen Handlungsaktivismus, d. h. zum weitgehend unreflektierten 'Knöpfchendrücken'. Dadurch werden häufig einfache und naheliegende mathematische Überlegungen sowie gezieltes und reflektiertes Arbeiten verdrängt.
Es stellt sich die Frage, wie der offensichtlich durch das Werkzeug hervorgerufene Zeitdruck weggenommen werden kann, denn „aufschließendes, schrittweise differenzierendes und weiterführendes Fragen benötigt Zeit, erfordert Besinnlichkeit, konzentrierte Aufmerksamkeit, ein Sich-Einlassen auf Phänomene...“ (Bildungskommission NRW, 1995, S. 94). Fragen lernen geht nur in einer Umgebung der Muße, Hischer (1991) hat deshalb das Schaffen von Spielräumen im Mathematikunterricht gefordert. Gibt es auch im Mathematikunterricht die „Kreativität der Langsamkeit. Neuer Wohlstand durch Entschleunigung“ (Fritz Reheis 1998)?
In Unterrichtsversuchen (Weigand 1997, 1999b) zum Arbeiten mit DGS wurde versucht, die Schüler vor der Computerbenutzung zunächst zum Nachdenken über die Situation und zum - tatsächlichen realen - handlungsorientierten Arbeiten zu zwingen. Die evtl. Diskrepanz zwischen erwarteter Lösung und der mit dem Computer erzeugten Lösung aktivierte dann mathematisches Basiswissen, zeigte Fehlvorstellungen auf und führte zum Suchen nach Begründungen und Beweisen.
Nicht nur auf den Umgang mit neuen Technologien bezogen, hat Günter Grass für das Lernen in der Schule gefordert:
„ ... und schlage vor, in allen Schule einen Kurs zur ‚Erlernung der Langsamkeit‘ einzuführen. Von mir aus darf es sogar ein Leistungskurs sein. .... es geht um das Lernen des Innehaltens, der Muße. Nichts wäre inmitten der gegenwärtigen Informationsflut hilfreicher als eine Hinführung der Schüler und Schülerinnen zur Besinnung ohne lärmende Nebengeräusche, ohne schnelle Bildabfolge, ohne Aktion und hinein ins Abenteuer der Stille. (Die Zeit, 20. Mai 1999).
Sicherlich sind derartige Forderungen nicht neu (es sei hier nur an das exemplarische Prinzip nach Wagenschein oder die Themenkreismethode von Wittenberg erinnert), und es stellt sich somit insbesondere die Frage, inwieweit die in der Mathematikdidaktik entwickelten – und heute manchmal etwas vernachlässigten - didaktischen Prinzipien (evtl. modifiziert und angepasst an die Verwendung neuer Technologien) zum „Entschleunigungsprozess“ beitragen können. Es soll deshalb der Versuch unternommen werden, die große Vielzahl der didaktischen Prinzipien (man kommt leicht auf 30 und mehr) zu kategorisieren und im Rahmen von Leitlinien zu erläutern, denen wir im Hinblick auf den Einsatz neuer Technologien eine ganz besondere Bedeutung beimessen. Dabei werden Leitlinien unterschieden, die stärker auf den mathematischen Inhalt bezogen sind, solche die Einstellungen und Verhalten von Schüler beeinflussen, und schließlich solche, die im Zusammenhang mit den verwendeten Werkzeugen zu sehen sind.